Radio-Features

Migration/ Arbeitssklaven in Kalabrien. Labor des Wegwerf-Menschen

Rosarno ist eine Kleinstadt im Süden Kalabriens, deren Wirtschaft seit jeher auf dem Anbau von Zitrusfrüchten gründet. Einst ein florierendes Städtchen, hat es seit den 70er-Jahren einen stetigen Niedergang erlebt. Denn irgendwann konnten die kalabrischen Orangen der billigen Konkurrenz aus dem Ausland nicht mehr standhalten.

Um zu überleben, haben die Orangenbauern Verträge mit transnationalen Handelsketten, Saft- und Getränkeherstellern wie etwa Coca-Cola geschlossen. Doch diese globalen Akteure diktieren die Preise auf dem Weltmarkt und drücken sie immer weiter nach unten. Die Orangenanbauer Kalabriens konnten nur überleben, indem sie bis heute vom Elend der Flüchtlingsströme aus Afrika und Osteuropa profitieren.

Die Einwanderer werden als Tagelöhner auf den Straßen Rosarnos angeheuert und schuften auf den Orangenplantagen für 20 oder 25 Euro am Tag. Wenn sie überhaupt bezahlt werden, und wenn sie überhaupt Arbeit finden. Vor allem die meist illegal eingereisten Afrikaner sind dem Gutdünken der Bauern ausgeliefert. Für den Soziologen Fabio Mostaccio sind sie der Prototyp des Wegwerf-Arbeiters, den die neoliberale Globalisierung verlangt.

Deutschlandfunk 2015

Mafia/ Im Fadenkreuz. Kalabrien und die ‚Ndrangheta

Als der Priester Giacomo Panizza nach Kalabrien zog, gründete er ein Sozialprojekt für Menschen mit Behinderungen. Er wollte sich für Bürgerrechte und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Aber in Kalabrien regiert die ‚Ndrangheta, und die diktiert ihre eigenen Gesetze. Seitdem eine seiner Kooperativen das konfiszierte Haus eines Clans bezogen hat, steht Don Giacomo im Visier der kalabrischen Mafia.

Um sein Leben bangen muss auch der Unternehmer Gaetano Saffioti. Er hat die Bosse angezeigt, die ihn jahrzehntelang erpressten; nun lebt er isoliert, von Kameras und Leibwächtern bewacht. Der Geschäftsmann Bentivoglio hat die Schüsse eines Mordkommandos knapp überlebt, doch er ist wirtschaftlich ruiniert. Aber es regt sich Widerstand, immer mehr Menschen sagen nein zur Herrschaft der ‚Ndrangheta.

SWR2 Feature 2014

EU/ Militarisierung für den Wohlstand

Die Kriege der Zukunft werden Kriege in urbanen Ballungsräumen sein, weil bald die Mehrheit der Menschheit in Megastädten leben wird. Es werden „asymmetrische“ Kriege sein, die nicht gegen Heere, sondern gegen Terroristen und Aufständische geführt werden.

Warum sie geführt werden müssen, wird in „Perspektiven für die Europäische Verteidigung 2020“, einem Strategiepapier des Instituts für Sicherheitsstudien der Europäischen Union (EUISS), eingehend erklärt: Sie sollen den Welthandel sichern, von dem der westliche Wohlstand abhängt, und vor allem sollen sie den „Schutz der Reichen dieser Welt vor den Spannungen und Problemen der Armen“ gewährleisten.

Durch Welthandel und Technologie schrumpfe die Welt zu einem globalen Dorf, „das sich allerdings am Rande einer Revolution befindet. Während wir es mit einer immer stärker integrierten Oberschicht zu tun haben, sind wir gleichzeitig mit wachsenden explosiven Spannungen in den ärmsten Unterschichten konfrontiert.“ Auf solche Kriege bereitet sich die Europäische Union seit 1999 vor, als die europäischen Regierungschefs die Gründung einer eigenen Eingreiftruppe beschlossen.

Im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (mit dem Lissabon Vertrag in Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik umbenannt) werden militärische und polizeiliche Zuständigkeiten zunehmend verwischt und Kapazitäten zur Bekämpfung von Aufständen aufgebaut. Offiziell geht es dabei um „asymmetrische“ Einsätze in Ländern außerhalb der Europäischen Union. Aber mit Art. 222 des Lissabon Vertrags hat man auch die rechtliche Voraussetzung für den Einsatz von Militärs und paramilitärischen Einheiten in EU-Krisenstaaten geschaffen.

Deutschlandfunk 2014

Italien/ Triest – Zwischen habsburgischer Vergangenheit und europäischer Zukunft

Triest, heute die östlichste Stadt Italiens, war bis 1918 Teil der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie. In der Hafenstadt an der Adria lebten im Vielvölkerstaat der Habsburger neben der italienischen Bevölkerungsmehrheit u.a. Slowenen, Kroaten, Deutsche, Armenier, Serben, Griechen und italienische Juden. Ihr ebenso friedliches wie fruchtbares Neben- und Miteinander zerfiel im 19. Jahrhundert in Nationalismen und ethnische Konflikte. Nachdem Triest an Italien gefallen war, wurden die Minderheiten von den Faschisten zwangsitalienisiert. Heute blicken viele Triester nostalgisch auf die glanzvolle k.u.k.-Vergangenheit zurück, wollen sich von Italien lösen und fordern die völkerrechtliche Anerkennung ihrer Stadt als Freies Territorium. So, wie es der Pariser Friedensvertrag von 1947 vorsah.

SWR2 2014